Navigieren in Uttwil

Mehr über Uttwil

Wer sich in Uttwil auf der Strasse nähert, wird an der Ortsgrenze mit den werbenden Worten "in Uttwil glücklich zu Hause" begrüsst, während Besucher, die am Landungssteg im Seedorf das Schiff verlassen, mit der Aufschrift "Willkommen in Uttwil" empfangen werden. In jenem Uttwil, das in den 20er-Jahren in einer Anzeige im Bodenseebuch so für sich warb: "Das stille Dorf am schweizerischen Bodenseeufer, mit ausgedehntem Strandbad, vorzüglich geführten Gaststätten, Waldspaziergängen. Wegen seiner Stille und reizvollen Eigenart als Fischerdorf, sowie der herrlichen Ausblicke auf See und jenseitiges, schönes Ufer seit langem der von Malern und Schriftstellern mit Vorliebe ausgesuchte Ort. Zu Motorboot- und Autofahrten jederzeit Gelegenheit. - Ruderboote - Fischfang. Uttwil ist der ständige Ferienaufenthalt von Freunden einer ruhigen und poesievollen Seegegend."

Schon die Pfahlbauer sollen hier die Sicht auf Ufer und See genossen haben, wie man den Berichten von Archäologen entnehmen kann. Verbrieft ist, dass Uttwil am 4. Juni 817 das erste Mal in der Kaiserkunde Ludwig des Frommen, ein Sohn Karls des Grossen, zusammen mit Kesswil erwähnt wird - als "Huttinwilare". Mit dieser Urkunde wurden die Einkünfte von "47 Mansen" im Thurgauer Bodenseegebiet an das Kloster St. Gallen übertragen. 840 taucht der Ortsname als "villa Uttinvillare" erneut auf. Später liess sich im Dorf "ein ritterliches Geschlecht nieder, das sich "von Uttwil nannte", wie der Schriftsteller Emanuel Stickelberger in seiner 1960 erschienenen Schrift "Uttwil im Spiegel seiner Vergangenheit" erwähnt. In die Geschichte eingegangen ist der sogenannte "Uttwiler Handel", der sogar die Tagsatzung beschäftigte. Dabei stritten sich von 1644 bis 1651 das Kloster Münsterlingen und die katholischen Orte mit Uttwil und Zürich wegen des Abbruchs der Adelheid-Kapelle. Die Uttwil wollten die "epheuumrankte Ruine der längst altar- und bilderlosen" Wallfahrtskapelle niederreissen, "um die dicht vor ihr stehende, zu eng gewordene Kirche nach Westen erweitern zu können" - was sie dank finanzieller Hilfe aus Zürich schliesslich auch bewerkstelligen konnten.

Das Erbe der Dölli

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde Uttwil durch den Unternehmergeist der Kaufmannsfamilie Dölli zwischen Rorschach und Konstanz zu einem wichtigen Umschlagsplatz für Korn und Salz aus Deutschland. Ihre Schiffe brachten die Waren über den See, und diese wurden weiter nach Zürich, Bern und Genf befördert. Die hohen Gewinne aus ihren Handelsgeschäften ermöglichten den Bau stattlicher Häuser: Am Hafen entstand ein "regelrechtes Kaufherrenviertel", wie es der Chronist Ernst Hänzi bezeichnet. Als Bauherr tat sich insbesondere der angesehene Friedensrichter Johann Ulrich Dölli hervor, der unter anderem die "Seeburg" errichten liess. Sein Sohn Johann Peter lagerte im benachbarten "Schlösschen" Getreide, Käse und andere Güter. Das Salz brachte er in einem besonderen Stadel unter, auf dessen Grund später das "Bad Uttwil" gebaut wurde. Nicht nur die Dölli brachten Wohlstand nach Uttwil. Es gab im Ort auch Eisen- und Kupferschmiede, Weber und Gerber. Der Garnhandel war vertreten, ein Goldschmied hatte hier seine Werkstatt und sogar ein Buchverlag namens "Conrad Uhler Uttwil am Bodensee" hat hier seinen Sitz. Täglich legten mehrere Schiffe an. 1855 liefen in einer Werft am Uttwil Ufergelände auch die beiden Dampfboote "Thurgau" und "Zürich" vom Stapel.

Jean Strekeisens Hotellerie

Im selben Jahr wurde jedoch der Bahnhof Romanshorn eröffnet und Uttwils Nachbargemeinde so zum Endpunkt der Eisenbahnstrecke aus Winterthur und 1856 auch aus Zürich. Was für Uttwil weitreichende Folgen hatte, zumal der Thurgauer Grosse Rat bereits 1840 beschlossen hatte, den Hafen von Romanshorn auszubauen, obwohl sich der Kantonsrat und Stadthalter Johann Ulrich Dölli laut Ernst Hänzi "deutsch und döllisch" für Uttwil eingesetzt hatte. So schwand die Bedeutung der Ortes und er sank Mitte des 19. Jahrhunderts wieder in das beschauliche Dasein eines stillen Fischer- und Bauerndorfes zurück. Glücklicherweise ist man aus heutiger Sicht geneigt zu sagen: Denn genau diese Beschaulichkeit bewahrte dem Ort seinen Charme und sollte später Künstler aus ganz Europa nach Uttwil führen. Zuerst aber schrieb im idyllischen Dorf ein anderer Geschichte: Jean Strekeisen. Der initiative Thurgauer erwarb 1893 an der Seestrasse zwei Dölli-Häuser, baute sie um und eröffnete im Juli desselben Jahres die "Bad- und Kuranstalt Uttweil", die ihren "feinen Glanz glücklichen, sorglosen Genusses in den ruhigen Werktag warf", wie sich Hänzi ausdrückt. Am neu von der Gemeinde erstellten Landungssteg legten Dampfer an, und ihnen entstieg "die Hautevolee aus dem Ausland". Nach einer wechselvollen Geschichte, bei der sogar eine Prinzessin als Hotelière auftrat, versiegte der Strom der Gäste von dem nahenden 1. Weltkrieg. Einzig das "Bad Uttwil" konnte sich bis ins heutige Jahrtausend halten.

Ein Ort der Künste

Es folgten gegen Kriegsende "stillere Gäste" - die Dichter und Maler, die Uttwil zum "Ascona des Bodensees" machten, wie die Thurgauer Zeitung einmal titelte. Der belgische Architekt Henry van de Velde hatte bei einem Spaziergang das Haus am Landungssteg entdeckt - "in einem herrlichen verwilderten Garten (...). Das Ganze war ein Traum, wie geschaffen für ein poetisch empfindenden Künstler" schrieb er in seiner 1962 erschienenen Biografie. Er erwarb das Haus und träumte davon, in Uttwil eine Künstlerkolonie zu gründen. Ihm folgten der Schriftsteller René Schickele, die Pazifistin Annette Kolb und der Dramatiker Carl Sternheim, der sich später am Seeufer eine Villa baute, wo er und seine Frau Thea Künstler wie den Autor Klaus Mann oder den Maler Conrad Felix Müller als Gäste empfingen. Es blieb allerdings bei van de Veldes Traum, in Uttwil "ein Institut zu gründen", um im "Kreis von begeisterten jungen Schülern (...) neue Aufgaben" vorbereiten zu können, wie es in seiner Biographie heisst. Denn ihn erwartete schon 1920 in Holland selbst eine neue Aufgabe. Uttwil blieb aber ein Ort der Künste: der Maler Ernst E. Schlatter liess sich am Seeufer nieder. Wie später der nach Uttwil zurückgekehrte Schriftsteller Paul Ilg, der in der Nähe sein Zuhause erhielt. Und ab Mitte der 30er - Jahre fanden sich in der Villa Haab berühmte Musiker ein, die in Romanshorn konzertierten. Diese kulturelle Vergangenheit Uttwils lebt seit 2008 in den internationalen Meisterkursen wieder auf, die von engagierten Musikliebhabern jährlich durchgeführt werden - mit talentierten Schülern und herausragenden Künstlern, für die das "schön gelegene Dorf und seine gastfreundlichen Bewohner den einzigartigen Hintergrund ihres Musizierens und Lehrens bilden", wie es die Mitinitiantin Margrit Stickelberger formuliert.

Attraktive Wohngemeinde

Uttwil ist nicht nur zu einem kulturellen Treffpunkt geworden. Das Dorf hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einer lebendigen Gemeinde entwickelt, mit guter Infrastruktur, vielen aktiven Vereinen, einem breiten Schul- und attraktivem Wohnangebot, das sogar noch Lagen mit Seesicht bieten kann. Eine Kennzahl von 2008 aus dem Bundesamt für Statistik widerspiegelt diese Attraktivität: Machten die Erholungs- und Grünanlagen im kantonalen Thurgauer Durchschnitt 6 Prozent der Siedlungsfläche aus, lag diese in Uttwil bei 15.1 Prozent. So verwundert es nicht, dass sich die Wohnbevölkerung in der Zeit von 1980 bis heute verdoppelt hat. Heute leben über 1800 Personen in der Gemeinde - und die Aussichten stehen gut, dass weitere "in Uttwil glücklich zu Hause" sein werden. Ralph Brühwiler

Der Text ist dem Buch "Skizzen und Notizen aus Uttwil" entnommen, das 2017 erschienen ist und zu einem Spaziergang durch die Geschichte bedeutender Häuser Uttwils einlädt. Das mit Tuschzeichnungen und schwarz-weiss-Aufnahmen illustrierte Werk ist direkt bei der Herausgeberin, Gesellschaft Frohsinn Uttwil, erhältlich.

Quellen:

  • Der Text der einleitend erwähnten Anzeige im Bodenseebuch ist einer Wiedergabe im Werk "Bohème am Bodensee" von Manfred Bosch, entnommen, das im Libelle-Verlag Lengwil 1997/2007 erschienen ist.
  • Hänzi, Ernst: Gäste in Uttwil.: Thurgauer Jahrbuch. Huber, Frauenfeld, 1949
  • Hänzi, Ernst: Die Dölli von Uttwil. Hrsg. von der Gesellschaft Frohsinn Uttwil. Frauenfeld, 1989
  • Stickelberger, Emanuel: Uttwil im Spiegel seiner Vergangenheit, Sonderdruck der Schweizerischen Bodensee-Zeitung. Romanshorn, 1960
  • Velde, Henry van de: Geschichte meines Lebens. Hrsg. von Hans Curjel. München, 1962

Weiterführende Geschichte

Zum ersten Mal wird Uttwil erwähnt in der Kaiserurkunde vom 4. Juni 817, zusammen mit Kesswil, Landschlacht, Zihlschlacht und Hefenhofen. Später im Jahre 840 erscheint der Name villa Uttinvillare (Weiler des Utto). Damals wurde ein Bergfried erstellt, um dem Landvolk vor den plündernden ungarischen Reiterhorden Schutz und Schirm zu bieten; die Schilderung jener bewegten Jahrzehnte in unserem Gebiet durch den Zeitgenossen Ekkehart, den ersten der bedeutenden St. Galler Mönche dieses Namens, in seinem Waltharilied ist durch Scheffels darauf aufgebauten Roman «Ekkehard» weiten Leserkreisen bekannt und mag die trockene Erwähnung des Bergfrieds beleben.

Nachmals liess sich in dem Dorf ein ritterliches Geschlecht nieder, das sich «von Uttwil» nannte; den alten Bergfried bauten diese Edlen von Uttwil gegen 1200 zu einem Wachtturm mit breiten Mauern neben ihrem Burgstall um. Sie waren Ministerialen – so benennt man den «Dienstmannenadel» im Gegensatz zum echten, dem sogenannten Dynastenadel – des Bischofs von Konstanz und des Abtes von St. Gallen. 1276 kommt in Urkunden ein Ulrich, zwanzig Jahre später ein Heinrich von Uttwil vor; ihre Nachkommen, die in Konstanz und St. Gallen verbürgert waren, dürften ihren hiesigen Wohnsitz aufgegeben haben; denn im 13.Jahrhundert hatte das Stift Münsterlingen neben Höfen und Zehnten gewisse Vogteirechte in Uttwil an sich gebracht, und 1413 gelang dem Stifte gar der Erwerb der beiden Vogteien mit der niederen Gerichtsbarkeit über Uttwil. Bis zur Umwälzung von 1798 erschien das weibliche Klosterhaupt jedes Jahr zur Entgegennahme der Huldigung sämtlicher Dorfinsassen.
Im Jahre 1542 waren in Uttwil folgende Geschlechter ansässig, von denen es manche heute noch sind: Spahn, Stöckli, Fischer, Uhler, Lengwiler, Keller, Eggmann, Bär, Schaffner, Nägeli, Schenderli, Brissing, Gebinger, Annasohn, Buchhorner, Oprecht, Imhof, Scherzinger, Diethelm, Boner, Kressibucher, Schwegler, Hausammann, Müller, Schlachinhaufen, Tübuchim, von Engen, Hulder.1562 erscheinen neben diesen Namen die weiteren: Ackermann, Merstedter, Spengler, Schwank, Züllig, Schaffert, Pfyffer, Schweizer, Bubli, Wyss, Kreis, Witzig, Baur und Payerna.

Der «Uttwiler Handel»

Der in der Schweizergeschichte mit dem Namen «Uttwiler Handel» benannte, der die Tagsatzungen über ein halbes Jahrhundert lang beschäftigt hat. Kurz gefasst: Auf das Einstehen ihres bei starker Tatkraft besonnenen Pfarrer Hs. Hch. Brennwald hin gestattete der von seiner Standesregierung gedeckte Zürcher Landvogt Füssli den Uttwilern im Jahre 1644, die efeuumrankte Ruine der längst altar- und bilderlosen St. Adelheidskapelle niederzureissen, um die dicht vor ihr stehende, zu eng gewordene Kirche nach Westen erweitern zu können. Obwohl sich das Stift seit vier Menschenaltern nie mehr um die einstige Wallfahrtsstätte gekümmert hatte, entdeckte die Äbtissin plötzlich einen glühenden Herzenshang für das morsche Gemäuer und suchte Stütze bei den katholischen Orten. Ungesäumt nahmen sich diese der Sache an und verboten die Weiterführung der bereits fortgeschrittenen Bauarbeiten. Die Uttwiler hatten mit Berufung auf den Landvogt für den Befehl taube Ohren und brachten den Kirchenbau in unwahrscheinlich kurzer Zeit unter Dach. In der Folge verknurrten die fünf Orte das Dorf zu einer Geldstrafe von tausend Gulden, überdies zum Ersatz ihrer sich auf einen noch höheren Betrag angelaufenen sämtlichen Umtriebe in der Sache.

Da das ganze Kirchengut und andere verfügbare Gemeindemittel kaum für die Hälfte hinreichten, schenkte Zürich, das ohnehin jährlich einen Beitrag an den spärlichen Gehalt des Pfarrers leistete, der Gemeinde, als das Urteil späterhin wirklich vollstreckt wurde, daran zwölfhundert Gulden. Da Zürich sich anschickte, für die Uttwiler «unschuldigen Martyrer» das Schwert zu ziehen und das mächtige Bern den bei ihm vorstelligen Boten der fünf Orte erklärte, wer den Landfrieden störe, habe es mit ihm zu tun, konnte ein Bürgerkrieg durch Vermittlung der unparteiischen Orte 1651 in letzter Stunde vermieden werden. Doch war damit der «Uttwiler Handel» noch bei weitem nicht beigelegt. Die Äbtissin begehrte mit Billigung der fünf Orte, auf dem Kirchhof eine neue Kapelle zu bauen. Wiederum jahrzehntelange Verhandlungen. Erst 1696 konnte der Ortspfarrer Hottinger in einem Bericht feststellen, das Vorhaben sei «durch die viele Mühe und Sorge meiner gnädigen Herren zu Zürich» endgültig zunichte geworden.

Uttwil als Handelsplatz

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde Uttwil durch den Unternehmungsgeist der Hugenottenabstämmlinge Dölli auf Kosten von Konstanz und Rorschach zum Hauptumschlagsplatz für Korn und Salz aus Deutschland. Ihre Schiffe brachten die Waren über den See, vier- bis sechsspännig wurden diese durch ihre Fuhrwerke bis Zürich, Bern und Genf befördert. Zu Reichtum gelangt, erbauten sie an der Ausmündung des Dorfbaches stattliche Häuser: Nach 1817 die einstweilen noch durch den um die letzte Jahrhundertwende beliebten braunen Besenwurf um einen Teil der Wirkung ihrer prächtigen Ebenmasse gebrachte Seeburg, mit schönen schmiedeisernen Ziergittern im Directoirestil über der vorderen und hinteren Eingangstür; darauf das heute «Margrit» genannte Haus, in dessen grossem, im zweiten Stockwerk gelegenen Saal zwei prächtige geschnitzte nussbaumene Flügeltüren in frühem Biedermeierstil und die stattliche steinerne Spätbarockbekrönung eines rundbogigen, heute zugemauerten Eckeingangs von einstigem patrizischem Wohnstand zeugen. Ferner den nun ein Speiserestaurant beherbergende «Frohsinn» an der Romanshornerstrasse. Das Lagerhaus für Salz befand sich an der Stelle des heutigen «Bad Uttwil». Ein weiteres auf einer kleinen Halbinsel stehendes, vorübergehend für Lagerzwecke benütztes Gebäude mit flachem, von einem wuchtigen Barockturm beherrschten Dache – vermutlich steht wegen dieses Turmes noch heute die Liegenschaft als «Schloss Uttwil» im Grundbuch - gestalteten die Dölli 1822 im damaligen französischen Geschmack zum freundlichen Landhause um.
Es hat, seitdem sie es verliessen, manchen Zwecken gedient, oft den Besitzer gewechselt, selbst eine Zeitlang zur Herstellung kondensierter Milch gedient (der Betrieb ist 1882 von Cham stillgelegt und aufgehoben worden). Während des ersten Weltkrieges gehörte das Schloss Uttwil dem bahnbrechenden belgischen Meister der Baukunst van de Velde, der sich sogar mit dem Plane getragen hat, im Dorfe eine Kunstschule zu errichten. Seit 1934 ist es in Basler Besitz, was der unauffällig auf der Seeseite angebrachte Baselstab mit der Jahreszahl 1730 andeutet, der sich an dem abgerissenen Bammerthaus am Riehenteich befunden hatte.

Nicht nur die Dölli, die in ihrer Monopolstellung für Salz und Korn mit den Stockalper in Brig verglichen werden könnten, brachten Betrieb nach Uttwil. In seiner schönen Gedenkschrift zum hundertjährigen Bestehen der Dozwiler Sekundarschule flicht Ernst Hänzi über das Aufblühen des Dorfes in jener Zeit einen aufschlussreichen Abschnitt ein. Unter den hier tätigen Handwerkern führt er Eisen- und Kupferschmiede, Weber und einen Gerber an; der Garnhandel war vertreten, ein Goldschmied hatte in Uttwil seine Werkstatt und wahrhaftig: sogar ein Buchladen fand genügend Zuspruch, um bestehen zu können. Bis zu zehn «Segner» seien oft im Hafen vor Anker gelegen. Auch andere Handelsherren bauten sich stattliche Sitze, so einer aus dem alten Dorfgeschlecht Diethelm, der schon in jungen Jahren die «Blumenau» erbaute. Die Kaufleute liessen den Hafen ausbaggern, später liefen Dampfboote hier vom Stapel. Fünf Postkurse trafen in Uttwil zusammen, täglich fuhren Eilwagen nach Konstanz und St.Gallen, der Posthalter hatte den Frauenfeld-Tägerwiler-Kurier abzufertigen.
Die Dampfboote, die noch 1855 von hier ausliefen, mochten den Kaufherren anfänglich dienen. Bald und plötzlich aber machten die Bahnen ihrer Vormachtstellung in der Gütereinfuhr den Garaus. Uttwil, das den Endpunkt der Strecke von Zürich und als grösster Hafen des Thurgaus in Frage gekommen war, musste zugunsten Romanshorns verzichten. Als die letzten Dölli Ende der Siebzigerjahre den Ort verlassen hatten – ihre Töchter findet man noch auf Stammbäumen alter Basler und Zürcher Familien – sank er aus seiner Betriebsamkeit wieder in das beschauliche Dasein eines stillen Fischer- und Bauerndorfes zurück.
Neben den ansehnlichen Bauten, die einst die Kaufherren errichteten, entdeckt man manch bodenständiges Bauern- und Fischerhaus, von denen freilich eine Anzahl ihren schönsten Schmuck, die Riegel, eingebüsst haben. Als Beispiel einer bezeichnenden frühen Bauform könnte jenes Eggmannsche herausgegriffen werden, das, vom Bachtobel aus gesehen, malerisch vorspringend, rechter Hand am ehemaligen Dorfeingang steht; in alten Zeiten, als über das noch unüberbrückte Rinnsal die Landstrasse nach St.Gallen an ihm vorbeiführte, befand sich darin die Post mit Wirtschaft, Bäckerei und Stallungen. Ein wurzelechter Zwergsitz ist die «Wacht», die sich freistehend auf dem kleinen Platz unter der Kirche in unsere Zeit herübergerettet hat. Auswärtige Besucher staunen darüber, dass diese so bescheidene Sehenswürdigkeit nicht, wie ähnliche in andern Gemeinden, Zweckmässigkeitsgründen zum Opfer gefallen ist.

Quelle:

Stickelberger, Emanuel: Uttwil im Spiegel seiner Vergangenheit, Sonderdruck der Schweizerischen Bodensee-Zeitung. Romanshorn, 1960